A Sermon preached on March 19th in
the Wallonisch-Niederländischen Church in Hanau on the 70th
anniversary of the bombing of Hanau
Micah
4:1-10, Revelation 21:1-7
Zunächst
möchte ich mich für die heutige Einladung bedanken. Hier am 70. Jahrestag des
Luftangriffes auf Hanau sprechen zu dĂĽrfen ist Ehre, Verpflichtung und
Verantwortung zugleich. Mein Name ist Christopher Easthill. Ich bin der Pfarrer
der anglikanischen Kirche St. Augustine‘s in Wiesbaden – und auch Engländer.
Ohne – im Gegensatz zu einem frĂĽheren Bundeskanzler – die Gnade der späten
Geburt reklamieren zu wollen, habe ich als 1960 Geborener nichts persönlich mit
dem Angriff auf Hanau zu tun. Auch mein Vater wurde erst kurz nach Ende
des 2. Weltkriegs zur britischen Luftwaffe eingezogen. Während des Krieges war
er als Abiturient beim Luftschutz eingesetzt, d.h. hat also nachts seine Heimatstadt
Darlington in Nordengland bewacht, um vor Luftangriffen zu warnen.
Das Fehlen
einer persönlichen Beteiligung entlässt allerdings weder ihn, noch mich, noch
Sie aus der Verantwortung. Im Buch des Propheten Hezekiel (18:20) lesen wir
zwar, „ein Sohn trägt nicht die Schuld des Vaters, und ein Vater trägt nicht
die Schuld des Sohns. Die Gerechtigkeit des Gerechten kommt nur ihm selbst
zugute, und die Ungerechtigkeit eines Ungerechten lastet nur auf ihm selbst.“ Dennoch
haben wir alle die Pflicht aus diesen SĂĽnden zu lernen, als BĂĽrger und Christen
dafĂĽr zu sorgen, dass die Ereignisse sich nicht wiederholen, dass Kriege die
allerletzte Mittel der politischen Auseinandersetzung sind und dass auch im
Falle eines „gerechten Krieges“, und der Krieg gegen Nazideutschland war sicherlich
gerecht, dafĂĽr zu sorgen dass der Zweck nie jede Mittel heiligt. Und im
Falle der Luftangriffe auf rein zivile Ziele haben ich starke Zweifel, dass
diese Mittel noch gerechtfertigt waren, allerspätesten im Frühjahr 1945.
Es war
und ist damit auch unsere Verantwortung nach einem Krieg etwas Neues zu
schaffen, ein neues Zusammenleben, sowie auch Institutionen und Begegnungen zu
fördern, die der Versöhnung zwischen alten „Feinden“ dienen. Und zwar getreu
der Vision des Propheten Micha: (4:3)
„Er
wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen
Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre SpieĂźe zu Sicheln
machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden
hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu fĂĽhren.“
Das
haben wir in Europa auch die letzten 70 Jahre versucht – allerdings zeigen
sowohl die wachsende Popularität neuer ultranationalistischer Parteien und
Bewegungen, wie auch die Balkankriege und die aktuell noch schwelenden kriegerischen
Auseinandersetzungen in der Ukraine – dass diese Aufgabe noch nicht erledigt
ist, und zumindest in dieser Welt wohl nie komplett erledigt sein wird.
Das
bringt mich zum angekĂĽndigten Predigttext aus der Offenbarung Johannes, eine
Passage die mit der Ăśberschrift „neue Schöpfung“ versehen werden kann. Viele
Christen haben mit diesem letzten Buch der christlichen Bibel ein Problem. In
seinem Vorwort zu diesem Buch in seiner BibelĂĽbersetzung schrieb Martin Luther
u.a.: „Es sollen selig sein, die da halten, was drinnen steht, obwohl noch
niemand weiĂź, was es ist,“ und „mein Geist will sich in dies Buch nicht
schicken.“ Die Bilder sind vielen Menschen zu wirr und zu gewaltig und die
Botschaft zu unklar. AuĂźerdem ist das Buch doch stark verbunden mit den Ideen
mancher extremer christlichen Gruppierungen ĂĽber die nahende Endzeit und das Erscheinen
eines Antichristen, der ja häufig dem politischen Gegner gleichgesetzt wird.
Als
genauen Fahrplan fĂĽr die Zukunft, oder als Tatsachenbericht ĂĽber die Endzeit
kann ich die Offenbarung auch nicht akzeptieren, aber sehr wohl als packende und
in Teilen wunderschöne Vision der Hoffnung in einer Situation der Hoffnungslosigkeit
und der Verfolgung, sowie als Versprechen des Sieges der Kräfte des Guten über
das Chaos und das Böse. Als das Buch Offenbarung geschrieben wurde, lag die
Zerstörung Jerusalems durch die Römer gar nicht so lange zurück, und der Autor Johannes
– ein jĂĽdischer Christ – hatte damit im gewissen Sinne seine Heimat verloren.
FĂĽr
die Bewohner Hanaus, die sich vor 70 Jahren vor der Bombardierung in ihre
Keller flĂĽchteten, dort voller Angst gelitten haben und in viel zu vielen
Fällen auch starben, wären die Beschreibungen des Chaos und der Zerstörung im
Buch Offenbarung viel zu nah an der Realität, die sie gerade erlebten. So lesen
wir in Kapitel 16 davon wie „Menschen mit groĂźer Hitze geschlagen wurden,“
(16:9) dass „Finsternis legte sich auf sein Reich. Und sie bissen sich vor
Schmerz auf die Zunge,“ (16:10) und dass „sich ein Getöse, Blitz und Donner
erhob, und die Erde bebte so stark, …. Und die groĂźe Stadt zerbarst in drei
Teile.“ (16:18-19)
Ich
kann nur hoffen, dass manche Bewohner in diesen schrecklichen Momenten doch
Kraft und Hoffnung aus dem Wort Gottes schöpfen konnten. Denn die Offenbarung soll
uns daran erinnern, dass es ein Leben nach dem Grauen und Schrecken gibt und
geben wird, und zwar ein viel besseres. Um diese Zeit vor 70 Jahren, rd. 15
Stunden nach dem Angriff, hat das Leben in Hanau im Kleinen auch bereits wieder
neu begonnen. Ich denke, es hat dabei viele Beispiele der Nächstenliebe hier
gegeben.
NatĂĽrlich
beschreibt Johannes in seiner Vision der Erneuerung etwas ungleich Größeres. Gott
spricht: „Siehe, ich mache alles neu!“ (21:5) Sowohl der Himmel, als auch die
Erde werden komplett erneuert und fĂĽr immer miteinander verbunden, d.h.
versöhnt. Der Prozess, der mit der Menschenwerdung Christi begonnen hat, wird
hier vollendet. Wie zu Jesu Lebzeiten, wird Gott bei den Menschen wohnen, und
sie werden seine Völker sein, und Gott selbst wird mit ihnen sein.“ (21:3) Wenn
Gott verspricht persönlich „jede Träne von ihren Augen abzuwischen,“ (21:4) ist
das für mich einer der schönsten und bewegenden Sätze der Bibel.
Auf
dieser erneuerten Erde wird ein fĂĽr alle Mal sowohl die SĂĽnde, als auch die Folgen
der Sünde abgeschafft und wir können uns auf eine neue Welt der Schönheit,
Freude, Barmherzigkeit, und Herrlichkeit freuen: eine Welt ohne Schmerz, ohne Tränen,
ohne Tod.
Bei
allem gebotenen Respekt, das haben Sie hier in Hanau nicht ganz
geschafft und das werden wir Menschen allein nie schaffen. Dennoch, der Wiederaufbau dieser Stadt, wie
auch der Wiederaufbau Deutschlands, war nie nur etwas Physisches, es ging nicht
nur um Gebäude und Infrastruktur, das Ziel war auch die Erneuerung des
politischen, moralischen, und gesellschaftlichen Zusammenlebens. Zugegeben, es
hat schon Tendenzen gegeben, Sachen unter den Teppich zu kehren und Schuld,
sowohl persönlich wie auch institutionell, zu leugnen. Aber die letzten 70
Jahre waren dennoch geprägt von der Suche nach Vergebung und Versöhnung, wofür
auch die heutige Veranstaltung oder auch die vielen anderen Jahrestage, die
letztes und dieses Jahr gefeiert werden, stehen.
„Was
zuerst war, ist vergangen“, (Off 21:4) schreibt Johannes. Die Vision der neuen
Schöpfung, der Welt in dem „der Tod nicht mehr sein wird, und kein Leid, kein
Geschrei und keine MĂĽhsal“ (Off 21:4) ist nicht nur die Beschreibung eines
wunderbaren Zustandes, auf den wir alle geduldig warten können, oder sogar
mĂĽssen. Die Vision ist auch Auftrag zugleich. Am neuen Jerusalem, am Reich
Gottes können und sollen wir jetzt schon bauen. Ihr Ziel ist die Versöhnung:
der Menschen mit Gott, und der Menschen untereinander, damit wir in jedem
Menschen das Ebenbild Gottes erkennen, dass alle auch darstellen, und uns
entsprechend im Umgang miteinander verhalten. Nur dann haben wir wirklich aus
den Tragödien der Vergangenheit, wie der Angriff auf Ihre Stadt, gelernt, und
begonnen, alles neu zu machen.
Amen