Sunday, February 8, 2015

Freiheit (in German)




A Sermon preached on February 8th, Epiphany V at the Old Catholic Friedenskirche, Wiesbaden
1 Corinthians 9:16-23, Mark 1:29-39

Es freut mich sehr dass wir heute als Anglikaner & Alt Katholiken gemeinsam Gottesdienst feiern können und dass wir nach etwa zweijähriger Unterbrechung diese gute Tradition wieder aufnehmen. Und ich bin Klaus auch dafür dankbar dass ich heute in der Friedenskirche predigen darf. Ich hoffe nur dass er sich später nach der Predigt immer noch darüber freut. 

Mein Thema heute Morgen ist „Freiheit.“ Wir haben in letzter Zeit den Begriff Freiheit viel und oft gehört, leider muss ich fast sagen. Denn der Angriff auf die Redaktion der französischen Zeitschrift Charlie Hebdo war ein Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Die sich jetzt auflösenden PEGIDA Demonstranten beriefen sich ebenfalls auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Für unsere Gesellschaft und Kultur stellt die Freiheit ein großes und  schützenswertes Gut dar, auch wenn man leider gelegentlich das Gefühl hat, dass manche Freiheit geopfert werden soll, um die Freiheit zu schützen. Für die säkulare Gesellschaft ist Freiheit überwiegend etwas Individuelles: es geht um Rechte und insbesondere um das Recht sich und seine Träume voll ausleben zu dürfen. Was natürlich eine Illusion ist denn nur im Lied von Reinhard Mey und dann auch nur über den Wolken mag die Freiheit grenzenlos sein. Hier auf Erden findet die Freiheit immer Grenzen in der Freiheit der anderen. Das freie Unternehmertum findet seine Grenzen in der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften. Die Religionsfreiheit findet ihre Grenzen in der Meinungsfreiheit. Und ich habe ein großes Problem mit den Versuchen unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit ein Recht auf Diskriminierung zu verankern, wie es manche konservative Christen in England oder den USA anstreben.

Für den Apostel Paulus auf jeden Fall scheint die Freiheit nicht grenzenlos. Im Gegenteil. Im heutigen Auszug aus den ersten Korintherbrief klingt Paulus zeitweilig eher wie ein getriebener als ein freier Mensch. „Ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (9:16) Wo bleibt denn der freie Entschluss?  Nun der Zwang den er erlebt, ist kein äußerer, sondern ein innerer Zwang. Er muss deswegen das Evangelium verkünden, weil es Ausdruck und Bestandteil des Christseins ist. Dabei spielen natürlich seine eigene Erfahrungen und seine eigene Begegnung mit Christus auf dem Weg nach Damaskus eine Rolle. Die Begegnung war so voller Freude, sie hat ihn so sehr geändert, dass er nicht umhin kommt, möglichst viele Leute an dieser Freude teilhaben lassen zu wollen, andere persönlichen Wünsche oder Ziele treten zurück. 

Später im Text wird noch deutlicher, dass Paulus bereit ist, bewusst und freiwillig auf seine individuellen Freiheiten zu verzichten, um des Evangeliums willen. „Da ich also von niemand abhängig war, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht“ (9:19) ist seine etwas drastische Beschreibung. Er verstellt sich, aber nicht seine Botschaft, um möglichst viele Leute mit dieser Botschaft erreichen zu können.  

„Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen.“ (9:20) Paulus war Jude, und wie wir anderswo lesen können, auch mächtig stolz darauf. Was er hiermit meint, ist dass er bereit war in die Synagogen zu gehen und sich dabei der Disziplin der Synagoge zu unterwerfen, was manchmal in Schläge ausartete, damit seine jüdischen Brüder und Schwester die Botschaft Christi hören könnten. Ebenso war er bereit, obwohl aus seiner Sicht als Christ davon befreit, sich an den Feiertags- und Essensgesetzen zu halten, um mit ihnen im Gespräch zu bleiben und um keine Kommunikationshindernisse aufzubauen.
Im Umgang mit nicht-Juden, mit den Gesetzlosen, passt er sich aber auch an. Auch mit ihnen verkehrt er ohne Scham, er isst und trinkt mit ihnen, da er sonst keine Chance hat, Ihnen die gute Nachricht vom Leben, Tod und Auferstehung Jesu zu überbringen. Die Botschaft bleibt gleich, nur der Bote ist wendig und flexibel: „Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten.“ (9:22) 

Was Paulus dazu motiviert, ist die persönliche Befreiung, die er erlebt hat. Seine Begegnung mit dem Herrn war eine Befreiung von Hass – von seinem Hass auf Christen, von seinem Hass auf Christus, und wohl auch von seinem Hass auf sich selbst. Er wurde dadurch auch von Angst befreit, von der Angst vor dem Tod oder vor einer Bestrafung. 

Im heutigen Evangelium nach Markus hörten wir auch wie befreiend Jesus wirkte. Die Menschen in Kapernaum wurden von ihren inneren Dämonen befreit, von allen was sie krank machte, und von allen was Angst machte. Die ganze Stadt versammelt sich deswegen vor der Haustür von Simons Schwiegermutter! Leider muss Jesus dennoch viele zurücklassen, damit seine heilende Botschaft weiter kommt: über Kapernaum hinaus, in die benachbarten Dörfer, durch ganz Galiläa, in ganz Israel und schließlich in die ganze Welt. Auch Jesus ist getrieben – von seiner Mission.  

Was wir anzubieten haben als Christen ist ein anderes Freiheitsverständnis. Zum einen bieten wir das Gefühl der Befreiung an – um wieder die Worte von Reinhard Mey aufzugreifen: „Alle Ängste alle Sorgen, sagt man, bleiben darunter verborgen und dann würde was uns groß und wichtig erscheint plötzlich nichtig und klein.“ In Christus sind die Ängste und Sorgen nicht nur verborgen, sondern uns genommen. Und es stimmt auch, dass vieles was uns groß und wichtig erscheint, z.B. Erfolg oder Reichtum, plötzlich nichtig und klein ist im Vergleich zu dem was uns Gott anzubieten hat: seine Liebe. Die Anhänger der Befreiungstheologie leiten daraus auch ein göttliches Mandat ab, dort wo Willkür, Macht und Ungleichheit herrschen, statt Liebe und die Achtung vor Gottes Ebenbild – den Menschen, sich auch für die soziale und politische Befreiung einzusetzen – und die Bibel ist auch darin klar, dass Gottes Gebote nicht nur im Jenseits zu gelten habe. 

 Als Christen glauben wir aber auch an die persönliche Freiheit, wir glauben das Gott uns alle mit einem freien Willen ausgestattet hat. Dennoch gibt es für jede und jeden von uns eine Bestimmung, und Gott wird nicht müde uns darauf hinzuweisen. Ob wir ihn folgen ist aber immer unsere Entscheidung, so wie es auch unsere Entscheidung ist, ob wir die Beziehung, die Gott uns anbietet eingehen oder nicht. 

Eine Bestimmung für alle Christen, ist die Bestimmung die Paulus in dieser Passage vorlebt: das Evangelium zu verkünden. Was bedeutet es für uns, „allen alles zu sein?“ Wie der Apostel müssen wir die Menschen suchen, wo sie sind. Es reicht nicht drauf zu warten, dass sie durch die Tür der Kirche kommen. Und die meisten von Ihnen, vielleicht von Klaus und mir abgesehen, verbringen ja weitaus mehr Zeit außerhalb dieses Gebäudes. Wir müssen ihre Sorgen kennen, wir müssen verstehen wie sie die Welt sehen, wir müssen ihre Geschichten kennen, und wir müssen ihnen vielleicht auch ganz konkret helfen, bevor wir unsere große Geschichte von dem Befreier, Jesus Christus, erzählen können. 

Es ist nämlich die befreiende Wirkung seines Lebens, Todes und seiner Wiederauferstehung, die uns erlaubt ein Leben ohne Angst und ohne Schuld zu leben, ein Leben für Gott und für die Menschen zu leben: oder um es ganz einfach auszudrücken, die uns erlaubt das Menschsein voll auszuleben. In dem Sinne ist doch sowohl über als auch unter den Wolken für Christen die Freiheit doch grenzenlos. Lasst uns diese Freiheit mit allen teilen.
Amen.

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