Sunday, March 3, 2024

Law and Love

A Sermon preached in German on 3.3.2024 Lent III at the Old Catholic Friedenskirche

Exodus 20,1-17, 1 Corinthians 1,22-25, John 2,13-25

German sermon (english summary below):

Sofort als Lech mir die Liturgie für heute schickte, fiel mir die erste Fürbitte auf: Später im Gottesdienst beten wir „Für alle, die mit Geboten hadern. Und für alle, die sich um die Einhaltung notwendiger Gebote und Regeln kümmern.“ Woher kommt dieses Spannungsverhältnis? Was ist die richtige christliche Einstellung zu Gesetzen und Geboten? Es ist kein rein altkatholisches Anliegen!

Gleich unsere erste Lesung, aus dem Alten Testament, handelt von Geboten, und zwar von den sogenannten 10 Geboten. Wenn sie nicht ausreichen sollten, gibt es noch 603 weitere in der Torah! Offensichtlich haderten Christen mit Geboten vom Beginn an, insbesondere mit der Frage ob und welche der alten biblischen Regeln auch für sie gelten würden. Paulus musste sich immer wieder gegen den Vorwurf kämpfen, Gesetzlosigkeit zu predigen – und musste sich auch mit denjenigen auseinandersetzen, die wirklich glaubten alles wäre möglich und es gäbe keine Verbote mehr!

Im Römerbrief 6,14-15 lesen wir deswegen z.B.: „Denn die Sünde wird nicht mehr über euch herrschen; denn ihr steht nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. Was heißt das nun? Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz stehen, sondern unter der Gnade?“ Eine rhetorische Frage, die er natürlich gleich verneint, keineswegs denn: „Ihr wurdet aus der Macht der Sünde befreit und seid zu Sklaven der Gerechtigkeit geworden.“ (6,18) Als “Sklaven der Gerechtigkeit“ haben wir uns also auf jeden Fall an den Vorgaben zu halten, die gerecht sind oder die Gerechtigkeit fördern. Und zwar weil wir uns frei für Christus entschieden haben, und damit für alles, was er lehrte und wofür er steht.

So dürfen wir, denke ich, auch die Aussage aus der Bergpredigt verstehen, wenn Jesus sagt: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben! Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen“ (Matt. 5,17) Das Gesetz wird in seiner Person und in seinem Leben und durch sein Beispiel erfüllt. Daher erfüllen wir auch das Gesetz, wenn wir so leben, wie er uns vorgibt.

Die andere Seite des Spannungsverhältnisses sehen wir auch im Römerbrief, (15, 1-2) wenn Paulus die Christen in Rom dazu auffordert: „Jeder ordne sich den Trägern der staatlichen Gewalt unter. Denn es gibt keine staatliche Gewalt außer von Gott; die jetzt bestehen, sind von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes.“ Das würde ich persönlich nicht in der Absolutheit unterschreiben wollen, zeigt aber wie sehr die frühen Christen um das richtige Verständnis von Gesetzen und Geboten, sowohl religiöse als auch weltliche rangen.

Dieses Spannungsverhältnis blieb auch später Thema in der Kirche. Während der Reformation wurde einerseits die wichtige Erkenntnis bekräftigt und bestätigt, dass wir die Liebe Gottes weder durch die Einhaltung von Geboten verdienen müssen noch können. Gleichzeitig kam es zu einer stärkeren Unterordnung der Kirchen unter die staatliche Gewalt.  Die darauf aufbauende, vermeintliche Christenpflicht, immer das zu tun, was die vom Gott eingesetzte nationale Obrigkeit befohlen hat, wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder missbraucht – und wird aktuell z.B. in Russland missbraucht.

Ich nahm mal an einer Veranstaltung der ACK teil, bei der die religionspolitischen Sprecher/innen der im Bundestag vertreten Parteien zu Gast waren, auch ein Vertreter der AfD. Auf die Frage, welche für ihn die wichtigsten christlichen Werte wären, nannte er u.a. Schutz der Familie, Ordnung, und Gesetzestreue. Ich würde das Christentum wirklich nicht so definieren wollen. Und zum Thema AfD stimme ich mit den vielen anderen Kirchenvertretern/innen überein, zuletzt Bischof Bätzing, dass Christ zu sein und zugleich AfD-Anhänger, nicht zusammen passt.

Eine kritische oder differenzierte Haltung zu Gesetzen und Geboten ist manchmal auch geboten. Gesetze sind nicht per se gut oder schlecht. Die Rassentrennung in den USA und Südafrika war gesetzlich, die Judengesetze in Deutschland ebenso, die Todesstrafe u.a. in den USA ist gesetzlich geregelt, die Verfolgung von Kriegsgegnern und Oppositionellen in Russland auch. Mit solchen Gesetzen konnten und können wir nicht einverstanden sein.

Im Evangelium heute handelt Jesus im Tempel auch nicht gerade gesetzeskonform. Mit einer Geißel aus Stricken die Händler aus dem Tempel zu treiben, das Geld der Wechsler auszuschütten, und ihre Tische umzustoßen, könnte man als Hausfriedensbruch, Nötigung, Sachbeschädigung, und Körperverletzung einordnen! Er war ja getrieben vom Zorn über den Missbrauch dieser heiligen Stätte, evtl. auch über die Preistreiberei und Ausnutzung der einfachen Pilger.

Als Christen sind wir nie nur Bürger/innen eines Landes, sondern immer auch Bürger/innen des universellen Königreich Gottes. Um auf unsere AT-Lesung zurückzukommen, die 10 Gebote sind Teil der Gesetzgebung dieses Königreiches, sie sind Universalgebote und sie sind immer noch sehr relevant, weil sie auch gut für uns sind. Vergessen wir nicht, dass deren Ãœberlieferung in einer Geschichte der Befreiung eingebettet ist: „Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ Sie stellten ein Gegensatz zu Willkür und Sklaverei dar. Sie regeln zum einen unsere Beziehung zu Gott, und zum anderen unsere Beziehungen untereinander, zu unseren Mitmenschen. Schauen wir sie noch einmal zusammen an:

  • Du sollst neben mir keine anderen Götter haben: Damit sind auch Götter und Götzen wie Macht, Reichtum, und Privileg gemeint.
  • Du sollst dir kein Bildnis machen (was übrigens in der heutigen Aufzählung fehlte!): Kunst ist schon OK, wir brauchen keinen neuen Bildersturm! Aber Gott lässt sich nicht auf ein bestimmtes Bild einengen, z.B. nicht weiß oder männlich. Viel zu oft schaffen wir Gott nach unserem Ebenbild … richtig ist, dass alle Menschen Ebenbild Gottes sind; Gott ist bunt und vielfältig.
  • Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen: Auch nicht für Kriege, Nationalismus, oder Diskriminierung.
  • Gedenke des Sabbats, halte ihn heilig: Wir brauchen Ruhetage, wir brauchen Zeit für uns, für unsere Beziehungen und für Gott, sonst sind wir nicht vollkommen.
  • Ehre deinen Vater und deine Mutter: Vergiss nicht unserer Verantwortung gegenüber unseren Eltern, allen Eltern. Der Wert einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie alte und von Hilfe abhängigen Menschen behandelt.
  • Du sollst nicht töten: Die Einengung auf Mord, wie in mancher Ãœbersetzung, ist falsch. Dieses Gebot ist bewusst offen formuliert. Der Mensch hat ein Recht auf Leben! Die Tötung muss sehr gut begründet werden, nicht das Leben.
  • Mangelnde Treue, Lüge, Unehrlichkeit, Neid, Gier, und Sucht sind die Verhaltensweisen die in den letzten vier Geboten geregelt bzw. ausgeschlossen werden sollen, denn damit wird eine wichtige Grundlage des menschlichen Zusammenlebens in Frage gestellt, das Vertrauen zueinander.

Auch für Jesus waren die 10 Gebote wichtig. In der Bergpredigt (Matthäus 5, 22 ff) warnt er sogar vor den vorgelagerten Verhaltensweisen, die zur Nichteinhaltung der Gebote führen könnten, z.B. vor Zorn (was angesichts seines Verhaltens im Tempel etwas ironisch klingt). Und in seiner Antwort auf die Frage des Gelehrten nach dem wichtigsten Gebot (z.B. in Markus 12:29-31) fasst Jesus die 10 Gebote für ihn und für uns ganz einfach zusammen:

„Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.“

Mit diesem Liebesgebot, Maßstab unseres Handelns und Glaubens, unser Grundgesetz, hadern wir hoffentlich nicht! Es ist nämlich unsere alle Aufgabe, uns um dessen Einhaltung zu kümmern.

English Summary:

I was struck by the first intercession in today’s service we pray “For all those who struggle with commandments. And for everyone who is responsible for ensuring compliance with necessary commandments and rules.” Where does this tension come from? What is the correct Christian attitude to laws and commandments?

Our very first reading, from the Old Testament, is about commandments, namely the so-called 10 Commandments.

We know that Christians struggled with commandments from the beginning, especially with the question of the continuing application of the biblical rules as this is a theme of so many letters and passages.

Paul repeatedly had to fight against the accusation of preaching lawlessness and also had to deal with those who believed there were no longer any prohibitions!

E.g.: Romans 6:14-15: “For sin will have no dominion over you, since you are not under law but under grace. What then? Should we sin because we are not under law but under grace? By no means!” Of course not, for " having been set free from sin, you have become slaves of righteousness." (6:18) As “slaves of justice”, we must adhere to those rules that are just or promote justice.

This is how I understand the statement from the Sermon on the Mount when Jesus says: “Do not think that I have come to abolish the law and the prophets! I have not come to abolish, but to fulfil” (Matt. 5:17). The law is fulfilled in his person and in his life and by his example. When we live as He directs us, we also fulfil the law.

We also see the other side of this tension in Romans (13:1-2): “Let every person be subject to the governing authorities; for there is no authority except from God, and those authorities that exist have been instituted by God. Therefore, whoever resists authority resists what God has appointed.” Not sure I agree - but it shows how much the early Christians struggled for the correct understanding of laws and commandments, both religious and secular.

This remained an issue throughout the history of the church. On the one hand, the Reformation reinforced and confirmed that we neither have to nor can earn God's love through obedience to the law or laws. On the other hand, churches became more subordinate to state authority. The assumed Christian duty to obey those in (national) authority has been abused again and again - currently in Russia.

I once heard a representative of the AfD party claim that the most important Christian values were protection of the family, order, and obedience. I don’t think so!  

We need a critical /cautious attitude towards laws and. Laws are not inherently good or bad. Racial segregation in the USA and South Africa was legal, the persecution of Jews in Germany was legal, the death penalty is legal in the USA, and the persecution of the opposition in Russia is legal – but as Christians, we cannot condone them.

And in today’s Gospel Jesus’ behaviour is illegal! We could easily classify his actions as trespass, coercion, property damage, and bodily harm! He was driven by anger at the abuse of this holy place, and the exploitation of ordinary pilgrims.

As Christians, we are never just citizens of any one country, but always also citizens of the universal kingdom of God. The 10 Commandments are part of the legislation of this kingdom, they are universal, still relevant, and good for us too! They are embedded in a story of liberation: “I am the LORD your God, who brought you out of the land of Egypt, out of the house of slavery” and regulate both our relationship with God, and our relationships with each other:

You shall have no other gods before me: This also includes modern gods and idols such as power, wealth, and privilege.

You shall not make for yourself an idol or image: We have nothing against! But God does not allow godself to be limited to a certain image, e.g. white or male. Far too often we create God in our own image... instead of rejoicing that we are all made in the image of God!

You shall not make wrongful use of the name of the Lord your God: Not for wars, nationalism, or discrimination.

Remember the Sabbath day, keep it holy: We need days of rest, we need time for ourselves, for our relationships and for God.

Honor your father and mother: Remember our responsibility to our parents, to all parents. The true worth of a society is reflected in how it treats the elderly and dependent people.

You shall not kill: It is wrong to translate this as murder, as does the NRSV. This commandment is deliberately open: Humans have a right to life! It is the killing that must be justified, not living.

Infidelity, lying, dishonesty, envy, greed, and addiction are the behaviours that the last four commandments regulate. They undermine the basis of human coexistence, trust in one another.

The 10 Commandments were important for Jesus. In the Sermon on the Mount (Matthew 5:22 ff) he even warns against behaviour that could lead to non-compliance with the commandments, e.g. from anger to killing. And in his answer to the scribe’s question about the most important commandment (e.g. in Mark 12:29-31), Jesus condenses the 10 commandments into just two:

“The first is, “Hear, O Israel: the Lord our God, the Lord is one; you shall love the Lord your God with all your heart, and with all your soul, and with all your mind, and with all your strength.” The second is this, “You shall love your neighbour as yourself.” There is no other commandment greater than these.”

There can be no struggle, no argument with this commandment of love, this standard for all our actions and beliefs, our basic law! It is up to all of us to ensure compliance with this commandment in our lives and in the world.

Amen.

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